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Alleine im Sand (Juni 2003)

 

Zum ersten Mal seit meiner Abfahrt, reise ich ganz alleine. Von Jochen, dem einen Motorradfahrer habe ich mich bereits vor einigen Tagen verabschiedet. Er blieb am Issyk-Kol-See, wo er noch ein paar Tage Wandern ging. Zu gerne haette ich ihn begleitet, mein kaputter Motor hatte jedoch Vorrang. Beim Kruemmer* war ein Rohr durchgebrochen und ein zweites angerissen. Waere das nicht geschweisst worden, haette ich bald den Auspuff verloren. Um diesen Schaden zu beheben, begleitete mich Claudio in die Hauptstadt Kirgisiens. Wo ich dank seiner grossen Hilfe und einem kirgisischen Schweissmeister den Motor bis auf weiteres reparieren konnte. Zwar schnauft meine "Old Lady" auch nach der ganztaegigen Operation immer noch etwas schwer, aber bei einer Dame in ihrem Alter ist das durchaus angemessen. Mit Claudio fuhr ich noch in die kasachische Metropole Almaty, wo er zurueck blieb, um auf Jochen zu warten. Wegen unterschiedlichen Visa-Daten kann ich die Weiterreise nicht mit den Motorradfahrern fortsetzen, obwohl wir den gleichen Weg haetten. Ich werde die beiden jedoch in Irkutsk und in der Mongolei wieder treffen.

 

Also verlasse ich Almaty und Claudio. Vor mir liegt ein weiter Weg quer durch das weite Kasachstan mit seinen unendlichen Steppen und anschliessend warten ueber zweitausend Kilometer sibirische Taiga bis nach Irkutsk. Dort werde ich in zehn Tagen Allan treffen, um mit ihm in die Mongolei zu reisen. Weit komme ich jedoch nicht. Schon bei der Ausfahrt aus Almaty bleibe ich ueber Stunden in einem zaehen Stau stecken. Das einfache Strassensystem vermag den enormen Verkehrszuwachs der letzten Jahre nicht schlucken. Auf dem bescheidenen Asphaltband kaempfen sich veraltete Busse, russende Lastwagen, altertuemliche Sowjetautos, aber auch neue westliche Wagen, Meter fuer Meter einen Weg durch das fuenfspurige Gewirr. Haeufig wird eine Spur von einem Auto blockiert, dessen Motor oder Kupplung sich verabschiedet hat. Das ganze Blechchaos wird von einer erbarmungslosen Sonne aufgekocht. Sie laesst den Asphalt flimmern und die Kuehler ueberkochen.

 

Auch als sich der Stau langsam verfluessigt, vermag der laue Fahrtwind keine Milderung von der bruetenden Hitze zu schaffen. Die schweisstriefenden Kleider kleben auf der Haut. Da sehe ich voller Hoffnung auf der Karte, dass die Strasse schon bald an einem grossen See vorbeifuehrt. Tatsaechlich taucht am Horizont schon bald das tiefe Blau auf, das Rettung verspricht. Am Wasser angelangt, muss ich jedoch enttaeuscht feststellen, dass die Ufer verbaut sind und das erloesende Bad nicht zulassen. Ploetzlich entdecke ich auf der anderen Seite zwischen hohen Sandduenen eine versteckte, kleine, einsame Bucht. Das klare Wasser glitzert darin verlockend. Zu meiner grossen Freude finde ich auch eine Pneuspur, die quer ueber die Duenen direkt zur entfernten Bucht fuehrt. "Ha! Wenn es bereits ein anderes Fahrzeug geschafft hat, diese Duenen zu ueberqueren, werde ich das ja wohl auch schaffen", denke ich mir, verlassen die Strasse und steuere direkt auf die Spur im Sand zu.

 

Die verlockende Bucht, die mir fast zum Verhaengnis wurde.

Entweder hat mir die Hitze bereits das Hirn etwas gegart oder die verlockende Erloesung des kalten Wassers laesst mich blind werden, dass ich mich ganz alleine auf diesen Leichtsinn einlasse. Schon bald realisiere ich, dass diese Spuren eher von einem vierraederigen Strandmotorrad oder vielleicht von einem tiefen, leichten Lada 4x4 stammen. Mein Gefaehrt ist jedoch hoeher als breit und die schweren Ersatzteile und Werkzeuge, die ich auf dem Dach mitfuehre, erhoehen die Gefahr zu kippen noch zusaetzlich. Die Duene wird zunehmend steiler und die Spur die parallel dazu verlaeuft, wird schraeger und schraeger. Schon beginnen die Raeder im feinen Sand seitwaerts zu rutschen. Um nicht umzukippen muss ich immer schneller fahren. Im letzten Augenblick reisse ich das Steuerrad rum und lenke gegen den Duenengrat. Die Vorderraeder schaffen es noch knapp ueber die Kante, dann aber sitze ich fest. Alle vier Raeder drehen durch, die vorderen auf dem Duenenruecken, die hinteren noch im steilen Hang. Waehrend dem Spulen rutsche ich seitwaerts, bis ich definitiv mit dem Bauch des Autos auf einem kleinen Sandhuegel festsitze.  

Schon war es passiert und ich steckte fest.

Das Auto steht so schraeg und ich stecke so tief in diesem Huegel, dass sich die Fahrertuere nicht mehr oeffnen laesst. Ich klettere zur Beifahrertuere raus und sehe, dass hier nur noch tuechtiges Schaufeln hilft. Mit meinem kleinen Klappspaten mache ich mich an die muehsame Arbeit, den ganzen Huegel abzutragen. Keine Ahnung, warum solche Strapazen einem nie in der kuehlen Morgenfrische oder bei einer angenehmen Abendbriese abverlangt werden. Nein, die bruetende Sonne hat nun ihren Hoehepunkt am Himmel erreicht und versucht mich mit ihrer vollen Kraft zu verbrennen. Der Sand glueht. Er ist von grossen Steinen durchsetzt, die das Graben noch zusaetzlich erschweren. Aber am meisten Schwierigkeiten bereitet mir der Dornenbusch, der ueppig aus dem Huegel wuchert und dessen zaehe Wurzeln tief in den Boden reichen. Er kaempft mit all seinen Stacheln dagegen an, ausgerissen zu werden.

 Besonders die grossen Steine im Sand und das Dornengestruepp erschwerten das Bergen.

Nach einer unendlichen Zeit harten Kampfes mit dem Dornengestruepp, den Felsstuecken und dem heissen Sand gelingt es mir, den Huegel unter dem Auto soweit abzubauen, dass ich die Sandbleche unter die Hinterraeder schieben kann. Am ganzen Koerper gibt es keine einzige Stelle mehr, die nicht voll schweissverkrustetem Sand waere. Die Haende sind wund von aufgeplatzten Blasen und voller kleinen, fiesen Stacheln. Diese werden ich auch mit allen mitgefuehrten Operationsgeraeten (Pinzette, Nadel, Nagelschere) nicht entfernen koennen. Sie werden sich entzuenden und mich noch Wochen an meinen Leichtsinn erinnern. Doch als ich wieder hinters Steuer geklettert bin und die "Old Lady" beim Anfahren langsam ueber die Kante der Duene steigt, spuere ich nur noch Erleichterung. Mich durchstroemt ein grosses Gluecksgefuehl, mich aus dieser misslichen Lage befreit zu haben. Ein Felsen, schwerer als alle Steine die ich weggegraben habe, faellt mir vom Herzen.

 Happyend: endlich wieder geraden Boden unter den Raedern.

Vom beabsichtigten Bad lasse ich mich jedoch nicht abbringen, gehe das letzte Stueck in die Traumbucht hinunter aber zu Fuss. Der Stau und das "Saendeln" haben mich viel Zeit gekostet und da ich heute noch ein rechtes Stueck fahren sollte, bleibt mir fuer den schwer verdienten Schwimm im kuehlen, erloesenden Nass gar nicht viel Zeit. Zudem musst ich die "Old Lady" ja auch noch irgendwie auf die Strasse zurueck bringen. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzaehlt werden.

 

 

* Kruemmer: dort wo die Abgase den Motor verlassen