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Ohne Benzin in Sibirien
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Ohne Benzin in Sibirien (August 2003)

In solchen Dörfern war es sinnlos nach Benzin zu suchen.

Lange haderte ich mit mir, ob ich diesen Bericht tatsächlich im Internet veröffentlichen soll. Denn er gehört eindeutig zu den peinlicheren Arten von Geschichten, die man eigentlich verschweigen oder lieber noch vergessen möchte. Aber wenn ich auf dieser Reise etwas gelernt habe, ist es die Wichtigkeit über sich selber lachen zu können, auch bei widrigen Situationen lächelnd ein Auge zuzudrücken und sich selber nicht so wichtig zu nehmen. Außerdem fällt mir von der Etappe durch Russland keine andere Geschichte ein, von der ich Euch berichten könnte. Ich könnte erzählen, wie Toni und ich im Schlamm stecken blieben, aber so ein ähnliches Ereignis beschrieb ich bereits aus Kasachstan als ich mich im Sand eingrub. Dann war noch die nervenaufreibende Sache mit dem Touristenvisum, dass mitten in Russland ablief und sich nicht verlängern liesse. Aber auch zu diesem Thema habe ich bereits einen Bericht verfasst. Dann eben doch diese leidige Benzin-Sache.

 

Schon bei den Vorbereitungen zu meiner Reise las ich über Sibirien: von Versorgungsknappheit beim Benzin, von langen Stecken ohne Tankstellen und dass jede Möglichkeit zum Nachtanken genutzt werden sollte. Wie so vieles, dass ich bei der Vorbereitung noch sehr wichtig nahm, mass ich auch diesen Sätzen grosse Bedeutung zu und baute zum vorhandenen 70-Liter-Tank einen zusätzlichen Tank mit 40-Litern ein. Und da man ja nicht vorsichtig genug sein kann, packte ich gleich noch 5 Reservekanister dazu. Nicht mal durch die turkmenische oder die iranischen Wüsten benötigte ich auch nur einen Reservekanister, obwohl es dort auch nicht hinter jeder Düne eine Tankstelle gibt. Sogar ohne den Zweittank wäre ich durchgekommen, konnte mir so aber jeden zweiten lästigen Tankstellenstopp sparen.

 Die sibirische Taiga: viel Wald, viel Sumpf und ab und zu ein kleines Holzhausdorf.

So gewappnet erreiche ich Ende Juni Sibirien und harre gespannt, wie weit mich die Benzinvorräte bringen werden. Mit zwei vollen Tanks beginne ich die lange Fahrt durch die Weite der sibirischen Taiga. Durchquere die endlosen Birken-Fichten-Mischwälder, vorbei an Sümpfen und heimeligen Blockhütten-Dörfern. Doch was war das? Eben habe ich eine Tankstelle passiert. Wie war das gleich nochmals? „Nutzen Sie jede Möglichkeit um Nachzutanken“, rät mein Reiseführer. Die Nadel meiner Tankanzeige hatte sich jedoch noch kaum gesenkt. Etwas verunsichert fahre ich weiter. Ich habe noch nicht vom kleinen auf den grösseren Tank umgestellt da kreuze ich eine weitere Tankstelle. Kurz überlegen, aber auch dieses Mal fahre ich kopfschüttelnd weiter.

 

In der Kraftstoffversorgung dieses Landes hat sich offenbar in den letzten Jahren einiges getan. Ich lerne, dass es längst ausreicht, die Suche nach neuem Treibstoff bei verbleibenden 10 Litern zu starten. Auf diese Art durchquere ich Sibirien erfolgreich und erreiche die Mongolei ohne nennenswerte Zwischenfälle. Als ich mich auf dem Rückweg ein zweites Mal auf den langen Weg durch Sibirien mache, verlasse ich mich wieder auf die bewährte Praxis.

 

Plötzlich hustet der Motor. Ich bin auf dem Weg nach Irkutsk, wo ich morgen Antonio vom Flughafen abholen soll, der mich bis nach Moskau begleitet. Ein bekanntes Geräusch: da der eingebaute Zweittank keine Anzeige hat, fahre ich diesen zuerst leer. Sobald ihm das Benzin ausgeht und der Motor hustet, schalte ich auf den grossen Tank um. Dieses Mal nützt das Umschalten aber nichts, den ich fahre bereits mit dem grossen Tank. „Wie ist das Möglich?“, frage ich mich erstaunt. Zwar steht die Tankanzeige tatsächlich auf Reserve, doch bestimmt erste seit eben und damit fahre ich normalerweise noch mindestens 80 Kilometer. Oder ist sie vielleicht doch schon länger da unten? Es war mir schon klar, dass ich bei Gelegenheit tanken sollte. An der vorletzten Tankstelle war aber der Treibstoff überteuert und die letzte war geschlossen. Wäre mir bewusst gewesen, wie knapp es tatsächlich um den Sprit steht, hätte ich im letzten Dorf ausgiebiger gesucht. Doch auf solche Wenn-und-Aber-Diskussionen lässt sich der Motor nicht ein, hustet noch zwei Mal und stellt ab. Mit dem letzten Schwung schaffe ich es gerade noch auf den Grasstreifen am Strassenrand zu fahren. Da stehe ich nun, zwei Tanks und fünf Kanister, allesamt leer. Schon sehr doof! Aber blödes rumsitzen und sich ärgern hilft auch nicht. Seit der letzten Ortschaft bin ich bestimmt 20 Kilometer gefahren, bis zur nächsten sind es ebenfalls nochmals soviel.

 

Am Strassenrand ohne einen Tropfen Benzin

Entweder schnapp ich mir einen leeren Kanister und versuche per Anhalter in die nächste grössere Ortschaft zu gelangen, Benzin aufzutreiben und dann jemand zu finden, der mich wieder zurück fährt. Oder ich probiere ein anderes Fahrzeug anzuhalten und den Fahrer zu überreden, mir etwas von seinem Treibstoff abzugeben. Die „Old Lady“ hier ganz alleine in der sibirischen Wildnis stehen zu lassen, ist ein Gedanke, der mir alles andere als Wohlbehagen bereitet, darum entscheide ich mich für die zweite Variante, stelle mich an die spärlich befahrene Strasse und mache mich auf eine längere Wartezeit gefasst. Als Zeichen dafür, dass ich Benzin brauche, nehme ich einen Kanister in die Hand.

 

Schon nach erstaunlich kurzer Zeit erscheint ein grosser Linienbus, der auch prompt hält. Dass es hier öffentliche Verkehrsmittel gibt, verblüfft mich dermassen, dass ich meinen Vorsatz, nach Benzin zu fragen, über Bord werfe, einsteige und den Fahrer bitte, mich in die nächste Ortschaft mitzunehmen. Kaum sitze ich auf dem leeren Sitz neben dem Fahrer, fällt mir mit Schrecken ein, dass ich das Fahrzeug gar nicht genügend gesichert habe, nicht mal das Lenkradschloss habe ich montiert. Auch im Inneren waren GPS, Minidisk und Feldstecher unverschlossen sichtbar. Falls sich ein Vorbeifahrender für das einsam abgestellte Auto interessiert, wäre es für ihn eine Leichtigkeit die Scheiben mit Gewalt aufzudrücken und sich zu bedienen. Derart unentspannt kann ich die Busfahrt durch die sibirischen Wälder kaum geniessen. Sie kommt mir ohnehin endlos vor. Ich ärgere mich zu sehr, dass ich nicht rechtzeitig getankt habe und nun die „Old Lady“ so überstürzt verlassen habe. Mein Ärger über mich wird aber noch grösser, als sich der Busfahrer zu mir rüber beugt, auf meinen leeren Kanister weist und meint, er habe Ersatzbenzin, das er mir geben könne. Die lange Busfahrt wäre somit gar nicht nötig gewesen.

 

In der nächsten Ortschaft wechselt sein Benzin in meinen Kanister und mein Rubel in seine Brieftasche. Da dieses Dorf außerdem die Endstation der Linie ist, nimmt mich der selbe Bus auch wieder zurück. Die Rückfahrt erscheint mir noch länger. Meine Nerven sind bis zur letzten Faser überspannt. Warum muss auch bei jeder Haltestelle jemand aus- oder einsteigen? „Nach dieser Kurve müsst doch meine „Old Lady“ stehen.“ Doch da war nichts! „Oder war es doch erst nach der nächsten Kurve?“ Wieder nichts! So steigt die Spannung mit jeder Kurve bis fast ins Unerträgliche. Nach unzähligen Kurven endlich der erlösende Anblick. Da steht sie. Nachdem ich den Bus fluchtartig verlassen habe, kann ich beglückt feststellen, dass auch im Innern noch alles unberührt vorhanden ist. Was für eine Erleichterung, da bin ich wohl noch mal mit dem Schrecken davon gekommen. Rasch ist das Benzin umgefüllt und die Fahrt endlich fortgesetzt.

 Vom Reservekanister zum Reservetank: der erlösende Treibstoff.

Neben diesem Erlebnis hatte ich auf der gesamten Reise nur ein Mal noch Schwierigkeiten mit der Treibstoffversorgung. Im nördlichen Teil von Turkmenistan musste ich einen Umweg von über 100 Kilometer fahren, um Benzin zu erhalten und selbst dann bekam ich es nur auf dem Schwarzmarkt. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.